Eindrücke aus der Akutbetreuung
Eindrücke aus der Notunterkunft im Berufsschulzentrum an der Riesstraße
Samstag, 12. März 2022
Es ist ruhig im riesigen Berufsschulzentrum an der Riesstraße. Die Menschen wirken erschöpft, aber auch dankbar, erst einmal sicher und versorgt zu sein. Nur aus dem Spielzimmer ist hin und wieder ein fröhliches Kinderlachen zu hören. Für die Kleinsten ist ein Raum eingerichtet, in dem sie von Einsatzkräften betreut werden und die Chance haben, für kurze Zeit die grausame Realität in ihrer Heimat zu verdrängen.
Seit Mittwochnacht sind Einsatzkräfte des ASB Bevölkerungsschutz im Berufsschulzentrum im Auftrag des Sozialreferats der Stadt München im Einsatz. In vier Turnhallen und einem weiteren Schultrakt mit mehreren Klassenzimmern sind am Samstagnachmittag 331 Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet der Ukraine untergebracht. Raum bietet die Akutbetreuungsstelle für 472 Personen. Diese Notunterkunft steht unter der Leitung der Münchner Samariter. Unterstützt werden sie von der Freiwilligen Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, der Johanniter Unfallhilfe, dem Maltester Hilfsdienst und dem Bayerischen Roten Kreuz.
Der ASB stellt acht Leute pro Schicht – im Schichtdienst von 7 bis 15 Uhr, 15 bis 23 Uhr und 23 bis 7 Uhr. „Zurzeit lassen sich alle Schichten noch problemlos besetzen, je länger eine Krise bzw. ein Einsatz andauert, umso schwieriger wird dies meistens“, sagt Tobias Gocke, Fachdienstleitung Sanität beim ASB München/Obb.
Noch läuft aber alles „top, auch die Kooperation mit der Schulleitung, Lehrkräften und Schülern“, betont Julian Rosenlehner, stellvertretender Leiter des ASB Bevölkerungsschutz, „eine Schulklasse hat sogar spontan Geld gesammelt, wovon dann direkt verschriebene Medikamente in der Apotheke gekauft werden konnten.“
Die Geflüchteten werden teils direkt vom Hauptbahnhof aus mit dem Auto von Helfer*innen in die Akutbetreuungsstelle gefahren, manche kommen selbst mit der U-Bahn, andere in großen Reisebussen. Zuerst werden alle auf das Coronavirus getestet. Fällt der Test positiv aus, werden die Familien in einer Quarantäne-Station weiterversorgt. Alle anderen werden registriert und bekommen dann einen Schlafplatz mit Decken, Kissen und Schlafsäcken aus den Sachspenden der Münchner Bevölkerung zugeteilt.
Überhaupt ist das Aufkommen an Sachspenden immens: von der Zahnbürste, über Kleidung bis hin zu Baby- und Tiernahrung – fast im Minutentakt bringen Menschen Spenden vorbei. Auch die Gegenstände im Spielzimmer, wo im normalen Schulalltag der Religionsunterricht stattfindet, sind gespendet – Spiele, Puzzle, Maltische und Stühle, Musikinstrumente.
Alles wird von ehrenamtlichen Helfer*innen sortiert und wieder an die hilfsbedürftigen Menschen aus der Ukraine ausgegeben. Besonders wichtig ist bei allen Aktionen auch die Unterstützung durch ehrenamtliche Dolmetscher*innen.
Mittlerweile gibt es in der Riesstraße so viel Spenden-Material, dass auch eine weitere Akutbetreuungsstelle, die über Nacht eingerichtet wurde, mitversorgt werden kann. Einige der geflüchteten Familien haben zudem ihre Haustiere mitgebracht. So sieht man immer wieder kleine Hunde, Katzen und selbst einen Hasen. Eine ehrenamtliches Tierarztteam kümmert sich um verletzte und kranke Tiere.
Die Hilfsbereitschaft ist riesig. „Seit heute Morgen hilft uns sogar ein 13-jähriges Mädchen aus der Ukraine bei der Warenausgabe“, sagt Katarina Stuparic, eine ehrenamtliche Helferin, die schon seit vier Tagen im Einsatz ist, „und heute Nacht hat uns ein 18-jähriger junger Mann unterstützt, der im Krieg seine ganze Familie verloren hat.“ Katarina Stuparic hat bereits eine vierköpfige Familie - Oma, Mutter und vierjährige Zwillinge - zu Hause aufgenommen.
Auch für die Verpflegung der Geflüchteten ist bestens gesorgt. Die Schulkantine bietet Mahlzeiten von früh bis spät. Von 3 Uhr morgens bis 15 Uhr nachmittags sind Pächterin Renate Groß und ihre Mitarbeiter*innen voll im Einsatz, danach übernimmt ein Cateringteam. „Gefrühstückt wird hier entweder sehr deftig mit Bratwurst, Schnitzel, Leberkäs und Rollbraten, oder aber sehr süß mit Kuchen und Teilchen. Darauf haben wir uns jetzt eingestellt“, sagt Groß – und lacht.
Die Menschen aus dem Kriegsgebiet sind dankbar für die tolle Unterstützung. Für einige ist das Berufsschulzentrum aber nur eine kurze Zwischenstation auf ihrem Weg zu Verwandten oder auch Freunden. Andere stehen vor einer ungewissen Zukunft.
Doch eins ist allen gemein: die Hoffnung auf Frieden und auf eine möglichst schnelle Rückkehr in ihre Heimat.
Petra Linné
Bereichsleiterin Kommunikation